Reisebericht Juli 2007
1. Juli 2007
Leicht, aber wirklich nur leicht verkatert geht es wieder auf die Bahn. Allerdings nicht, bevor Moinsen dank eines Miniaturnagels (eine echte Kunst, den zu treffen) noch in Toronto unsere erste Reifenpanne abarbeitet. Das naechste Ziel heisst Sault Ste. Marie. Von dort aus wollten wir eigentlich mit einer Faehre nach Chigaco schippern. Eigentlich. Denn wir wir bereits in Erfahrung gebracht haben, gibt es die Faehrverbindung nicht (mehr). Also muessen wir noerdlich um die grossen Seen Lake Huron und Lake Michigan herumfahren. Die ersten Stunden werden wir mit traumhaften Strecken belohnt, doch irgendwo bei Coldwater geraten wir auf eine ueberfuellte Autobahn ohne Seitenstreifen. Unsere "langsam - langsamer - am langsamsten" Fahrzeuge sind hier wirklich fehl am Platz, und so beschliessen wir, den Freeway bei der naechsten Abfahrt wieder zu verlassen. Doch die laesst auf sich warten, und prompt wird der mit etwas Abstand hinten haengende Moinsen von der Polizei abgegriffen. "Wie oft wir schon angehalten wurden?", fragt der freundliche kanadische Officer und muss grinsen, als Moinsen sinngemaess mit "Dies ist das erste Mal" erwidert. Trotzdem werden alle Papiere gecheckt. Mehr als zu pruefen, ob irgendetwas gegen uns vorliegt, trauen wir allerdings nicht einmal Big Brother zu. Oder haben die Jungs doch schon eine Leitung zum Hamburger Verkehrsamt?
Danach kommen Polizei und Moinsen die Autobahn entlang zum bereits wartenden Christian. Der Beamte macht klar, dass er uns gerne von der Autobahn runterhaette, und wir machen ihm klar, dass wir das genauso sehen. Eine rechtliche Handhabe scheint er nicht zu haben, denn trotz allem scheinen wir mit 125cc und eingetragenen 73 km/h Hoechstgeschwindigkeit die Minimalanforderung fuer die Benutzung der Autobahn zu erfuellen.
Als uns die Seitenstrassen endlich wieder haben, geht es kaum vorwaerts. Und das liegt nicht nur an den alten Vespas. Das Navigationsgeraet schickt uns mehrfach im Kreis herum. Es wird kaelter und andere Fahrzeuge begegnen uns kaum noch. Bei der naechsten Panne basteln wir fast 1 Stunde mitten auf der Strasse, ohne dass ein Auto vorbeikommt. Lediglich ein Anwohner auf einem Fahrrad haelt und bietet Hilfe und Festnetztelefon an. Er wohne gleich um die Ecke, nur 5 Kilometer entfernt.
In unserem Frust schmeissen wir erst einmal eine fast neue Zuendkerze in dem irrigen Glauben, sie sei die Fehlerquelle, in den umliegenden Wald. Doch irgendwann laeuft Moinsens Kiste wieder. Bei Einbruch der Daemmerung gelangen wir an einen kleinen See, wo wir einen Urlaubsort nutzen, um ein Bierchen und etwas Essen zu uns zu nehmen. Gleich nebenan in der kleinen Halle spielt eine in Kanada wohl relativ bekannte Band live auf, es stroemen Busladungen von jungen Leuten heran. Heute ist der eigentliche Canada Day, entsprechend hoch geht es her. Unsere Bemuehungen, in dem Nobelkurort eine Schlafstelle zu finden, um ebenfalls zu partizipieren, scheitern mangels Masse. So ziehen wir weiter in die Nacht. Irgendwann muss der vorausfahrende Christian umdrehen, da Hendrik "Moinsen" nicht mehr nachkommt. Er findet ihn, umringt von 4 Polizeiwagen. Die an diesem Tag ueblichen Alkohol- und Drogenkontrollen sowie das fehlende Ruecklicht an Moinsens Anhaenger haben die Ordnungskraefte zum Einschreiten veranlasst. Nachdem wir versprechen, nichts getrunken zu haben (kleine Luege) und das naechste Hotel aufzusuchen (keine Luege), duerfen wir weitertroetteln. Doch wann soll eine Herberge kommen, wo wir doch stundenlang vorher kaum jemanden getroffen haben? Irgendwann kommt die Luxusoase. Indoorpool, Outdoorpool, Moeglichkeiten zum Golfen fuer froehliche 350 Dollar...
2. Juli 2007
Der Tag faengt gut an! Wir schaffen immerhin ganze 8 Kilometer, bevor Moinsens Vespa erneut ihren Geist aufgibt. Der Vergaser enthaelt erhebliche Schmutzrueckstaende, und so schrauben wir gleich den ganzen Tank zwecks Komplettreinigung raus. Doch auch das hilft wenig, und erst eine weitere Spielerei an der Zuendung erweckt die Kleine nach ueber 3 Stunden Gebastel wieder zum Leben. So geht es den Tag durch: mal die Zuendkerze wechseln, mal am Zuendkabel wackeln. In Sudbury angekommen, muessen wir erneut auf die Autobahn. Der geneigte Leser, der sich jetzt einmal eine Kanada-Landkarte zur Hand nimmt, weiss warum. Es gibt weit und breit einfach keine andere Strasse ausser dem Highwah 17. Und nahezu jede Abzweigung davon ist eine Schotterpiste "No outlet". Die LKWs donnern mit doppelt- und dreifacher Geschwindigkeit an uns vorbei.
Auch die Ortschaften sind rar gesaeht, und noch rarer sind Motels oder Campingplaetze. Um 23.30 Uhr finden wir endlich eine Bleibe. Superedle Visitenkarte, in Wirklichkeit aber eine ziemliche Bruchbude. Das runtergeranzte Uralt-Ambiente und die Haare im Bettzeug stoeren uns kaum, so muede sind wir. Doch bevor wir vor uns hinschnorcheln koennen, bekommen wir noch Besuch. Polizisten stehen bei den beiden Kisten vor dem Motel und sind ganz erleichtert, dass wir zur Nachtruhe schreiten. Sie haetten Anrufe erhalten, dass sich mysterioese, sehr langsame Fahrzeuge auf dem Highway befinden. Schnecken-Ufos? Nein, damit werden wir wohl gemeint gewesen sein...
3. Juli 2007
Ein Tag wie jeder andere. Basteln basteln basteln. Moinsens Luftfilter ist voellig veroelt, und nebenbei loest sich am Vergaser mehrfach die B o w t e n z u g j u s t i e r p l a t t e. Nach dem Mittagessen muessen wir dann an einer Vespa (ja, es ist wieder Moinsens) den Gaszug erneuert.
Doch wir haben uns inzwischen so etwas von daran gewoehnt, anzuhalten und zu schrauben. Nachmittags ist Moinsens Kupplung dann komplett ohne Funktion. Aber solange sie noch nicht durchrutscht, heisst es weiterfahren. Kurz vor der Grenze muessen wir uns zur Abwechselung an Christians Maschine vergnuegen. Sofort haelt ein kanadischer Harleyfahrer mit Blondine an, um uns seine Hilfe in Form eines Trucks (zwecks Verladung zur Werkstatt) anzubieten. Erst nachdem er sich vergewissert hat, dass unser "thank you but that is business as usual" ernst gemeint ist und nach ein paar Fotos und Geschichten zieht er weiter.
Ueberhaupt: in Kanada winken sich alle Mopedfahrer zu. Was der eine oder andere Reisende in Deutschland vielleicht etwas affig findet, nimmt uns hier nicht aus.
Bei der Wiedereinreise in die USA muessen wir in die Halle fuer "Spezialbehandlungen". Der Zoll wuehlt eine von Moinsens Taschen oberflaechlich durch; doch wenig spaeter huepft der Vespist ungeruehrt ohne Kupplung von dannen.
Auf der US-amerikanischen Seite der Stadt Sault Ste. Marie (gibt es wie Niagara Falls als doppeltes Lottchen: 1x auf Kanadaseite, 1x auf Seite der Vereinigten Staaten) checken wir in das mit 46 US Dollar bisher guenstigste Motel ein. Als wir den Hotelmanager wie ueblich fragen, wo unsere Maschinchen am sichersten stehen, kriegen wir zur Antwort, dass wir sie mit ins Zimmer nehmen koennen, es waere dann aber etwas eng. Der Mann kommt aus Indien, den schockt nichts (nur am Rande die Anmerkung, dass es in nicht wenigen Hotels in Syrien, Jordanien und Aegypten fast als selbstverstaendlich galt, dass Christian und Jan ihre 200er PXen in die Lobby oder aufs Zimmer schleppten oder fuhren. Vom Sudan, Aethiopien und so weiter mal ganz abgesehen).
Doch wir lassen den Kram halb zerflettert vor unserem Zimmer liegen. Und waehrend wir noch beim basteln sind, reisst uns ein Ami endlich mal ein Bierchen auf. In Wisconsin sind die Leute da recht unverkrampft, waehrend im grossen Rest der US-Staaten Political Correctness und andere Beschwernisse das Saufen auf offener Strasse sowie vieles anderes mehr verbieten. Der Mann mit den Spendierhosen hatte uns in Kanada schon ueberholt. Aufgefallem war ihm, wie langsam wir waren. Neja, irgendwas ist ja immer.
Abends wollen wir downtown, denn morgen ist Independence Day. Aber das angeforderte Taxi ist trotz mehrfacher Nachfrage auch nach zwei Stunden noch nicht da (bei den Limo-Chauffeuren scheinen aehnliche Verhaeltnisse zu herrschen wie zu Sylvester) und wir gehen ohne Party ins Bett.
4. Juli 2007
Irgendwie hat Moinsens Vespa "ueber Nacht" an Speed zugelegt. Auf einmal ist er auf der Graden und Bergauf schneller als Christian. Die PX-Kupplung scheint anders uebersetzt zu sein (nachgezaehlt haben wir nicht) und ihre Wirkung zu zeigen. Talwaerts hingegen rennt Christians Rohrlenker wie verrueckt - so kommen einem die vielleicht etwas ueber 70 Sachen zumindest vor, wenn man sonst noch langsamer unterwegs ist. Schliesslich DURCHBRECHEN auch wir die erste Zeitzone und sind von einem auf den anderen Moment 7 statt wie bisher 6 Stunden von der mitteleuropaeischen Sommerzeit entfernt. Wie sich wohl die Leute fuehlen, die genau an der Zeitgrenze wohnen und deren Nachbarn auf der anderen Strassenseite 1 Stunde weiter (oder zurueck) sind?
Auch die Wolken scheinen was gemerkt zu haben, und der erste Regen unserer Reise empfaengt uns. Natuerlich haben wir wetterfeste Klamotten mitgenommen. Darueber, dass sie jetzt erstmalig zum Einsatz kommen, herrscht nur bedingt Dankbarkeit. Doch es gibt auch lichte Momente: wir ueberholen (ausserhalb des Stadtverkehrs) das erste Auto! Nachdem wir uns ungefaehr 20 Minuten lang rangekaempft haben, ist das Ford T-Modell faellig.
Der Bundesstaat Wisconsin besteht aus vielen Waeldern und Naturparks. Mittendrin ein Stau. Da wir unmerklich schneller sind als die stehenden Autos, fahren wir bis an den Stauanfang. Hier werden in Hendrik "Moinsen" sogleich Erinnerungen wach, denn zum Tag der Unabhaengigkeit gibt es einen